Govind Gopinathan Nair, Technical Product Manager, Financial Crime and Compliance | 24. Januar 2022
Die rasche Einführung digitaler Zahlungen und die Verbreitung von Finanztechnologieservices haben den Zugang zu Finanzdienstleistungen weltweit ausgeweitet. Heute ist es einfacher und schneller möglich, Geld auf der ganzen Welt zu bewegen, als je zuvor. Dies hat wiederum zu einem explosiven Anstieg des Volumens der Finanzaktivitäten und der damit verbundenen Daten geführt. Diese großen Datenmengen enthalten Signale, die es ermöglichen, Finanzkriminalität zu erkennen und zu verhindern.
Bei den meisten heute verwendeten Lösungen zur Bekämpfung der Geldwäsche (Anti-Money Laundering, AML) handelt es sich um regelbasierte Systeme zur Verhaltenserkennung, die nicht darauf ausgelegt sind, komplexe verdächtige Muster bei Transaktionsaktivitäten zu identifizieren. Darüber hinaus verwenden herkömmliche Systeme zur Gedlwäschebekämpfung häufig relationale Datenbanken. Aber die Bestimmung von Beziehungen und Vernetzungen zwischen Entitäten in derartigen Datenbanken kann eine Herausforderung darstellen. Dies stellt eine große Einschränkung dar, welche die Maßnahmen zur Aufdeckung und Untersuchung potenzieller Geldwäschefälle beeinträchtigen kann.
Die Kombination von Diagrammen und Diagrammanalysen ist eine sich schnell weiterentwickelnde Technologie, die Finanzinstituten einen entscheidenden Vorteil im Kampf gegen die Finanzkriminalität verschaffen kann. Diagramme und maschinelles Lernen werden bereits verwendet, um Wissensdiagramme zu erstellen, die Empfehlungen geben und die Suchfunktionen in einigen der größten Technologieunternehmen unterstützen. Sie werden in der Spitzenforschung eingesetzt, um das Falten von Proteinen zu ermöglichen und neue Medikamente zu entwickeln. Auf ähnliche Weise können Diagrammanalysen auch ein starkes Werkzeug im Arsenal zur Bekämpfung von Finanzkriminalität in der Finanzbranche sein.
In seiner einfachsten Form besteht ein Diagramm aus Knoten oder Eckpunkten, die Entitäten darstellen, die durch Kanten miteinander verbunden sind, welche wiederum die Beziehungen zwischen diesen Entitäten repräsentieren. Diese Diagramme können je nach Art dieser Beziehungen gerichtet oder ungerichtet sein. Diagramme sind die anschaulichste Art, Beziehungen zu erfassen. Eigenschaftsdiagramme können darüber hinaus zusätzliche Daten zu den Knoten und Kanten bereitstellen, die als Knoten- und Kanteneigenschaften erfasst werden.
Moderne Tools für Diagrammanalysen können die Beziehungen zwischen Entitäten und den Attributen dieser Entitäten, so wie sie von den Knoten- und Kanteneigenschaften erfasst werden, analysieren. Außerdem kann untersucht werden, wie diese sich im Laufe der Zeit verändern. Diagrammabfragesprachen wie PGQL ermöglichen es Benutzern, komplexe Muster präzise abzufragen. Darüber hinaus können moderne neuronale Diagrammnetzwerke die Darstellungen solcher Diagramme erlernen, welche die Topologie und Beziehungen der Diagramme zusammen mit ihren Knoten- und Kanteneigenschaften kombinieren. Dadurch wird die Diagrammanalyse zunehmend zum bestmöglichen Tool, um Beziehungen, komplexe Abhängigkeiten, versteckte Verknüpfungen, Netzwerke und Cluster zu untersuchen.
Finanzentitäten, Transaktionen und Beziehungen können mit Diagrammen anschaulich dargestellt werden. Diagrammanalysen ermöglichen es Anwendungen zur Geldwäschebekämpfung, Beziehungen zu identifizieren, abzufragen, zu analysieren und zu visualisieren. Die Grundlage dafür bilden Transaktionen, gemeinsame Adressen, Telefonnummern oder E-Mails zwischen Entitäten wie Kunden, Konten, Haushalten usw. Daher wird sie rasch immer mehr zu einem begehrten Tool von Analysten und Praktikern bei der Geldwäschebekämpfung, um Erkenntnisse aus Finanztransaktionsdaten zu gewinnen und komplexe, nicht offensichtliche Beziehungen zu verstehen.
Die Möglichkeit, Verknüpfungen und Beziehungen zwischen Entitäten zu analysieren, macht die Diagrammanalyse zum idealen Tool für die Geldwäschebekämpfung. Die Diagrammanalyse bietet dabei verschiedene Möglichkeiten, um innovativ gegen Geldwäsche vorzugehen. Tatsächlich kann sie die Wirksamkeit und Effektivität eines traditionellen Programms zur Geldwäschebekämpfung um ein Vielfaches verbessern. Schauen wir uns an, wie das genau funktioniert.
Ranking-Algorithmen wie Nähe-Zentralität, Gradzentralität, Eigenvektor-Zentralität usw. können verwendet werden, um Knoten in einem Diagramm in einer Rangordnung anzuordnen. Diese Metriken erfassen die Bedeutung eines Knotens für ein Diagramm entlang verschiedener Dimensionen.
Zum Beispiel erfasst die Grad-Zentralität, wie sehr jeder Knoten in einem Diagramm verbunden ist, während die Eigenvektor-Zentralität misst, wie sehr ein Knoten mit anderen stark verbundenen Knoten im Diagramm verbunden ist. Derartige Zentralitätsmaße ermöglichen es, die wichtigsten Knoten in einem Finanzdiagramm zu bestimmen.
Gradverteilungsalgorithmen sind eine einfache Möglichkeit, die Struktur eines Diagramms zu analysieren. Beispiel: In einem typischen Transaktionsdiagramm sind die Entitäten mit dem höchsten Grad an Eckpunkten (Anzahl der Nachbarn) in der Regel Geschäftsentitäten. Institutionen können so die Gradverteilungen ihrer Kunden analysieren und Ausreißer identifizieren, die für ihr Kundenprofil ungewöhnlich hohe Grade aufweisen. Derartige Entitäten könnten Kandidaten für eine erweiterte Due Diligence oder eine fortlaufende Due Diligence im Rahmen des laufenden Know Your Customer (KYC)-Prozesses sein.
Mit Diagrammabfragesprachen wie PGQL können Benutzer Abfragen oder Szenarien schreiben, die komplexe Muster von Geldmittelbewegungen erfassen. Derartige Tools ermöglichen daher eine genauere Überwachung spezifischer Risikomuster. Dies kann insbesondere nützlich sein, um die letztendlichen wirtschaftlichen Eigentümer (Ultimate Beneficiary Owners, UBO) zu identifizieren, sowie, wo diese UBOs in eine komplexe Eigentums- und Transaktionskette eingebettet sind.
Diagrammalgorithmen können eingesetzt werden, um den kürzesten Pfad zwischen Knoten im Nicht-Transaktionsdiagramm zu finden (ein Diagramm, das nur nicht-transaktionale Beziehungen berücksichtigt). Wenn der kürzeste Pfad im Transaktionsdiagramm (nur unter Berücksichtigung von Transaktionsdaten) zwischen denselben Knoten wesentlich länger ist, kann dies auf einen Versuch hinweisen, Geldmittel zu schichten.
Moderne neuronale Diagrammnetzwerke ermöglichen es uns auch, Einbettungen oder Darstellungen von Knoten in einem Diagramm zu erlernen. Diese Einbettungen erfassen die Topologie, Beziehungen und Eigenschaften eines Knotens. Derartige Einbettungen können auch in nachgelagerten Modellen wie dem Kundenrisikoscoring oder Ereignisscoring verwendet werden. Dies kann die Leistung der Modelle erheblich verbessern und sowohl Falschmeldungen (False Positives) wie auch unerkannte Fälle (False Negatives) reduzieren. Außerdem sind auch Erklärer für neuronale Diagrammnetzwerke verfügbar, die auf Bedenken hinsichtlich der Erklärbarkeit dieser Einbettungen eingehen können.
Wenn ein Alert markiert wird, ist es für die Geldwäsche-Analysten wichtig zu bestimmen, ob es sich dabei um einen isolierten oder vernetzten Vorfall handelt. Bei einer traditionellen Geldwäsche-Untersuchung wäre es schwierig, Verknüpfungen in den verstreuten Datensätzen (Kunden, Konten, Transaktionen usw.) zu identifizieren. Die Erstellung eines Diagramms zur Darstellung eines Vorfalls ermöglicht jedoch Diagrammvisualisierungen und -analysen, sodass die Ermittler eine kontextbezogene Ansicht der untersuchten Entität erhalten.
Moderne Deep Learning-Techniken für Diagramme ermöglichen es uns auch, Einbettungen für die Fälle zu erlernen und dann ähnliche Berichte zu verdächtigen Aktivitäten (Suspicious Activity Reports, SAR) zu erstellen, welche den Ermittlern nützliche Hinweise geben können.
Ein langfristiges Ziel für Finanzinstitute könnte die Erstellung eines Wissensdiagramms zur Finanzkriminalität sein. Durch die Kombination vom modernen Natural Language Processing (NLP) und Diagrammdatenbanken können die Institute ein einziges Diagramm zur Finanzkriminalität erstellen, welches sämtliche strukturierten und nicht strukturierten, internen und externen Daten zu den Kunden erfasst. Dies ermöglicht ein tieferes Verständnis der Kunden, das über verschiedene Funktionen wie KYC, Untersuchungen und sogar das Marketing hinweg nützlich ist.
Dies ist nur ein Einzelbeispiel zu den potenziellen Anwendungsfällen, welche die Diagrammanalyse ermöglicht. Institutionen können zunächst mit einigen einfacheren Anwendungsfällen experimentieren, bevor sie eine Einführung im großen Maßstab beginnen.
Mithilfe von Diagrammanalysen können Data Scientists Anomalien und Muster identifizieren, die eine bessere Erkennung, Kostensenkungen und schnellere Compliance in Bezug auf die Bekämpfung von Geldwäsche ermöglichen. Diagrammanalysen bieten auch leistungsstarke Visualisierungsfunktionen, welche die Produktivität von Ermittlern deutlich verbessern und ihnen helfen, komplexe Aktivitätsmuster besser zu verstehen.
Eine Implementierung von Diagrammanalysen als Teil des Toolkits zur Geldwäschebekämpfung erfordert qualifizierte Mitarbeiter, Investitionen und Engagement. Die Vorteile überwiegen jedoch diese Kosten, da die Verwendung von Diagrammanalysen die Compliance-Programme in Bezug auf die Geldwäschebekämpfung bei Banken und Finanzinstituten erheblich verbessern kann.